Časopis ARS 39 (2006) 2

Jozef MEDVECKÝ

Inšpirácia grafickými predlohami v maliarstve 17. storočia na Slovensku
[Die Inspiration durch graphische Vorlagen in der Malerei des 17. Jahrhunderts in der Slowakei]
[The Inspiration by Graphic Works in the Painting of the 17th Century in Slovakia]

(Resumé)

Die Übernahme erfolgreicher Kompositionen führender Künstler der späten Renaissance und des frühen Barocks in der mitteleuropäischen Malproduktion war im 17. Jahrhundert fast zur Regel geworden und die Abhängigkeit der Malerei von den relativ leicht zugänglichen Graphikblättern und der Buchillustration ihren Höhepunkt erreichte. Die Originalität in unserer heutigen Auffassung, begleitet von stilistischen Innovationen, war zwar schon seit der Renaissance geschätzt, aber die massenhafte Verbreitung und Anwendung fand eher die künstlerische Standardproduktion (außer im exklusiven Hofmilieu und bei kunstliebenden Mäzenen und Sammlern). Sie entsprach den allgemein angenommenen Vorstellungen, die evident von den respektierten Vorbildern abgeleitet waren. Die dominierende Vermittlerrolle der graphischen Produktion wurde erst später zum Objekt der Kritik.

Die in dieser Zeit verbreitete Praxis des Schaffens nach graphischen Vorlagen müssen wir besonders bei der Bearbeitung der wenig erforschten und meist verkannten Produktion der einheimischen lokalen Malerwerkstätten in Betracht ziehen, die sich, zusammen mit den Bildschnitzern an der Entstehung von Altären, Emporen, Kanzeln und kirchlichem Mobiliar oder den, in der Slowakei erst seit dem 17. Jahrhundert erhaltenen gemalten bürgerlichen Epitaphen beteiligt haben. Wie bekannt, sind nicht nur die Ornamentik und die dekorativen Elemente dieser Werke von den Vorlageblättern abgeleitet, sondern auch ihre figuralen - gemalten oder reliefartigen - Teile entstanden damals fast ausnahmslos nach graphischen Vorlagen. Die Spannweite reichte von einer allgemeinen Inspiration durch die maßgeblichen Vorbilder, über eine selektive Adaptierung einzelner Motive und Gestalten bis zu einem mechanischen Kopieren der übernommenen figuralen Kompositionen oder der Ornamentik.

Für die Darstellungen auf den Epitaphen und Altären werden auch bei uns üblicherweise die fertigen Lösungen aus den Buchausgaben vom Typus "Bilderbibel" übernommen, mit ihrem umfangreichen Fundus an Illustrationen im Holzschnitt oder Kupferstich, deren Popularität auch in der Slowakei bezeugen mehrere typische Beispiele ihrer Übernahme durch die Maler schon in der 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts.

Die Werke Schongauers, Schaufeleins, Dürers und anderer, die im vorherigen Zeitabschnitt als Vorlagen am meisten frequentiert wurden, sind im Laufe des 16. Jahrhunderts von der zeitgenössischen graphischen Produktion - welche die aktuellere Umsetzung der traditionellen Themen und die "modernere" Art ihrer Gestaltung vermittelte - innoviert worden (wobei viele Figuren und bewährte Motive, z. B. aus den Kompositionen Dürers, interpretiert und modifiziert in den Werken von Stechern späterer Generationen, weiter im Umlauf waren). Der Markt war besonders von Werken fähiger niederländischer Stecher überschwemmt, die Kompositionen berühmter Künstler reproduzierten, oder für die Herausgeber ganze Konvolute von Stichen nach Vorlagen von bekannten Malern, Zeichnern und Graphikern herstellten, die sekundär auch in illustrierten Buchausgaben benützt wurden, durch die es dann zu ihrer massenhaften Verbreitung gekommen ist. Auch in der Slowakei läßt sich bestätigen, daß es vor allem das Schaffen der verzweigten, in Antwerpen, München, Venedig und Prag tätigen Antwerpener Dynastie Sadeler gewesen ist, das im 17. Jahrhundert besonders verbreitet war.

In der protestantischen sakralen Kunst des 17. Jahrhunderts kamen vor allem christologische Themen zur Geltung. Der konfessionelle Standpunkt äussert sich dabei nur in der Auswahl und Anpassung von geeigneten Themen, weniger in der Gestaltung der gebräuchlichen ikonographischen und kompositionellen, durch die Graphik vermittelten Vorbilder.

Trotzdem die minutiösen graphischen Techniken auch die feinsten Nuancen und Details wiederzugeben erlauben und auch die charakteristischen Eigenheiten des malerischen Stils und der Handschrift der Vorlage vermitteln können, ist bei ihrer Übernahme in den Werken der kirchlichen Kunst nicht ihre künstlerische Form ausschlaggebend, sondern ihre Ikonographie und die geeignete Art der Gestaltung von biblischen Themen, die sie als Vorlage benutzbar machen. Die Mehrzahl der verwendeten Stiche gibt die geeigneten Themen in neutraler Art wieder, ihr überkonfessioneller Charakter entsprach den Anforderungen sowohl der evangelischen Orthodoxie als der nachtridentinischen katholischen Reform. Dieselben graphischen Blätter werden sowohl in der katholischen als auch in der protestantischen sakralen Kunst als Vorlagen benützt.

Im Repertoire der einheimischen Malerwerkstätten befanden sich Vorlagen, die verhältnismäßig aktuell waren - sie wurden schon kurz nach ihrer Entstehung benützt - im Umlauf blieben weiterhin aber auch graphische Blätter, die bereits mehrere Jahrzehnte alt waren (wobei viele der erfolgreichen Kompositionen noch im 18. Jahrhundert verwendet wurden). Zum bisherigen Sortiment an Blättern der Spätrenaissance und des Manierismus kamen nach und nach weitere, schon barocke Stiche, die in derselben Weise benützt wurden wie die vorherigen. Die Werke, die nach ihnen in der 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts entstanden sind, kann man, mit wenigen Ausnahmen aber weder als manieristisch, noch als frühbarock ansehen. Bei dem überwiegend handwerklichen Charakter dieser Bilder spielten die Art der Gestaltung und die stilistischen Innovationen der übernommenen Kompositionen keine Rolle. Das meiste der damaligen lokalen Produktion ist in seinem Stil indifferent und die Unterschiede äussern sich nur durch das, welche Graphik kopiert wurde. Einen grundsätzlich nicht eindeutigen Stilcharakter in dieser, aus der Entwicklungsperspektive gesehenen Übergangszeit, hat auch das "protobarocke" Schaffen jener Maler, welche den Beginn der Gegenreformation begleiteten, die programmäßig der marianischen Ikonographie und den Darstellungen der Martyrien von Heiligen den Vorrang gab.

Auch bei uns finden wir mehrere Beispiele für Werke, in denen die benützten Vorlagen nicht nur zur Gänze übernommen wurden - nur angepasst an das notwendige Format und künstlerisch interpretiert nach den schöpferischen Fähigkeiten des Malers -, sondern ein anspruchsvolleres Kompositionsprinzip verfolgt wird. Es ist der "modus operandi" hinlänglich fähiger Künstler, die ihre Erfindungsgabe und Orientiertheit durch die Benützung eines breiten Repertoires von graphischen Vorbildern (und das sogar ohne Rücksicht auf ihr Thema) demonstrieren. Derart entstandene Werke bezeugen nicht nur die Imitations- und Interpretationsfähigkeiten, sondern auch die Invention ihrer Schöpfer beim Aufbau eigener Kompositionen. Durch die Adaptierung und Verbindung unterschiedlicher Elemente entstanden so neue, im besten Fall oft auch ziemlich originelle, eigenartige Kreationen.

Offenbar war das ein ganz legitimes Gestaltungsprinzip und die Übernahme oder direkte Verwendung kann man nicht selten auch bei namhaften Künstlern feststellen, an deren Inventionsfähigkeiten nicht zu zweifeln ist. Von den bekannten frühbarocken Künstlern ist geradezu ein Vorzeigefall der Maler Carpoforo Tencalla (1623 - 1685), der in seinem umfangreichen Werk laufend graphische Vorbilder der unterschiedlichsten Provenienz verwertete. Alle Zitate, die man in seinen Gemälden feststellen kann, sind aber verarbeitet und vereinheitlicht im Sinne des unverwechselbaren und durchgehend qualitätvollen "tencallischen" malerischen Stils.

Untersuchungen der erhaltenen Werke aus dem 17. Jahrhundert in der Slowakei bestätigen die unersetzbare Funktion der Graphik bei der Verbreitung von neuen künstlerischen Ideen in der neuzeitlichen Kunst Mitteleuropas. Auch ein solcher Blick "hinter die Kulissen" des schöpferischen Prozesses und der Inspirationen der Maler für weitere Untersuchungen von Nutzen sein kann.