Časopis ARS 35 (2002) 1-3

Ivan GERÁT

Ikonografická tradícia a význam obrazu: alžbetínsky cyklus na hlavnom oltári košického dómu
[Ikonographische Tradition und Bildbedeutung: Elisabethzyklus am Hauptaltar des Kaschauer Doms]
[Iconographic Tradition and the Meaning of an Image: Elizabethan Cycle of the High Altar in the Košice Cathedral]

(Resumé)

Wieweit haben sich die mittelalterlichen Schöpfer durch Überlieferung leiten lassen? Wohin führt diese Frage im Zusammenhang mit unserem Bilderzyklus?

Die Gestalt des in den siebzigen Jahren des fünfzehnten Jahrhunderts entstandenen Kaschauer Zyklus wurde sicherlich nicht nur durch die ikonographische Tradition bestimmt. Die Möglichkeiten ikonographischer Übernahmen wurden durch die überlieferte Struktur des Altarretabels sowie durch die historisch gegebenen technischen und mimetischen Qualitäten malerischer Sprache gewissermaßen vorgegeben. Die Künstler und Auftraggeber wurden durch ein Zusammentreffen der verschiedenen Traditionen zu kreativen Lösungen motiviert. Die Ergebnisse ihrer Bemühungen, in denen auch eine Rücksicht der Schöpfer auf mannigfaltige Funktionen des jeweiligen Bildes zu spüren ist, werden im Zuge der Analyse einzelner Szenen des Kaschauer Zyklus konkret dargelegt.

Die ikonographische Vorgänger der Darstellung des Geburts der Heiligen in der Familie des ungarischen Königs Andreas II, mit der der Kaschauer Zyklus unten an der Festseite des linken inneren Flügels beginnt, findet man (ebenso wie bei einigen anderen Szenen) im sog. Krumauer Kodex und auf dem Lettner der Spitalkirche in Lübeck. Das Kaschauer Bild lässt aber einige Transformationen erkennen. Eine deutlich genauere Wiedergabe des Raumes und der Stofflichkeit der Gegenstände in der Szene ähnelt solchen Bildern, wie Geburt Mariens des Kölner Meisters des Marienlebens und wurzelt letztlich im Umkreis Jan van Eycks. Die mimetischen Qualitäten des Kaschauer Werkes sind aber nicht nur als ein Selbstzweck bzw. als eine Manifestation der künstlerischen Fähigkeiten des Malers zu verstehen: sie verraten nämlich, wie wichtig die königliche Abstammung der Heiligen für die Kaschauer Bürger war. Es ging ihnen dabei nicht nur um die Akzentuierung der sozialen und wirtschaflichen Position der Heiligen, sondern auch um eine Betonung ihrer besonderen Beziehung zum ungarischen Hof – gerade für die Zeit der Entstehung des Altars sind reiche Schenkungen des Königs Matthias für die Kaschauer Kirche archivalisch belegt.

Das Zusammentreffen Elisabeths mit ihrem künftigen Ehemann Ludwig am thüringischen Hof wurde erstmals auch im Lübecker Zyklus dargestellt. Den unmittelbar zusammenhängenden Ereignissen widmete man dort (ebenso wie bei dem Geburt) mehrere Szenen. Die ikonografischen und formalen Unterschiede sind aber auch im Bilde selbst festzustellen. In Kaschau begrüsst das Mädchen Elisabeth nicht Ludwig selbst, sondern seinen Vater, womit der heiratspolitische Aspekt der Verlobung deutlicher hervorgehoben wird. Die genau dargestellte Kleidung der Figuren, die die Kaschauer Händler und Handwerker sicherlich gut zu schätzen wussten, unterstreicht wiederum den Reichtum, mit dem Elisabeth in den ersten Etappen ihres Lebens umgeben wurde. In der Erzählstrategie des Zyklus wurde mit diesem Mittel ein Kontrast gebildet, der den Wert aller späteren freiwilligen und unfreiwilligen Erniedrigungen der Heiligen wirksam unterstreicht.

Das mittlere Register der beiden Altarflügel wurde der Mildtätigkeit der Heiligen gewidmet. Ursprünglich begann es mit er Szene der Schneidung der Haare eines Aufsätzigen, die im Laufe späterer Restaurierungen irrtümlich auf den gegenüberliegenden Flügel versetzt wurde. Von ihren ikonographischen Vorgängern unterscheidet sich die Kaschauer Szene vor allem durch eine bessere Ausnützung der narrativen Potenz des Bildraumes: in den Hintergrund des Bildes wurde der beobachtende Ludwig eingegliedert, dessen libertas – wie uns Dietrich von Apolda sagt - die Mildtätigkeit der Heiligen eigentlich ermöglichte. Die Gartenszene bot dem Maler auch eine Gelegenheit zu realistischer Naturwiedergabe. Die Möglichkeiten des neuen Realismus dienten aber wiederum auch einer Verdichtung der Bilderzählung. Das aus der literarischen Vorlage geschöpfte Nebenmotiv des Ehemanns führt den Betrachter logisch zur weiteren Szene.

Das Kreuzwunder stellt eine Vision Ludwigs dar. Der Kranke, den Elisabeth zuvor in ihr Ehebett legte, verwandelte sich vor seinen innerlichen Augen (interiores oculos) in den Gekreuzigten. Diese Szene wurde im Mittelalter sehr häufig dargestellt. In der Legendenerzählung sowie in den Bildwerken diente sie als ein Argument zugunsten der ungewöhnlichen Opferbereitschaft der Heiligen. Im Vergleich mit den anderen Elisabethzyklen zeigt sich wiederum die erzählerische Potenz des Kaschauer Malers. Obwohl eine genauere Identifikation der beteiligten Personen und ihrer Wahrnehmungsinhalte umstritten bleiben mag, die Erzählung des Bildes stellt sicherlich ein komplexes Modell der Laienfrömmigkeit dar. Das entscheidende Motiv der Christusähnlichkeit der Armen und Kranken wurzelt theologisch und ikonographisch in der Tradition der Barmherzigkeitswerke. Der ungewöhnlich kleine Kruzifixus im Ehebett der Heiligen ordnet sich in die ikonographische Tradition des arbor vitae, und lässt deswegen auch an Visionen denken, die durch ein bereits vorliegendes Bild provoziert wurden. Das Visionserlebnis des Landgrafen beschränkt sich nicht auf seine einsame Kontemplation, sondern zeichnet sich durch ganz konkrete Auswirkungen auf seine Stellungsnahme in der dargestellten dramatischen Situation. Die weitere Szene des Kaschauer Zyklus zeigt uns auch ein Wunder, der mit der Barmherzigkeit Elisabeths verbunden wurde. Sie kommt zu einem Festmahl in dem prächtigen Mantel, den sie zuvor einem Armen gegeben hatte, dann aber wurde ihr das vermisste Kleidungsstück aus dem Himmel zurückgegeben. Man sieht noch die Engel, die den Mantel tragen. Die Geschichte stellte man zunächst in den Nebenmotiven dar – z. B. am Altarflügel aus Altenberg. Weitere indirekte ikonographische Vorgänger der Szene sind in der Viten der Heiligen Franz und Martin zu finden. Im Vergleich mit den früheren (Neapel) und späteren ( Marburger Altar) Elisabethzyklen sieht man die Absenz des eigentlichen Gebens als ein besonders auffälliger Zug des Kaschauer Bildes. Die Auftraggeber wollten offensichtlich mehr Luxus als Askese sehen. Durch eine ikonographische Modifikation wurde das christliche Ideal der Barmherzigkeit in eine zeitlich und lokal akzeptable Form transformiert.

Elisabeths Abschied vom Ehemann, mit dem die Sequenz des linken Flügels des Kaschauer Hauptalters abgeschlossen wird, wurde sehr früh – bereits vor 1250 in den ältesten Marburger Zyklen – zum bildkünstlerischen Thema. Im Vergleich mit den älteren Versionen des Themas zeigt es sich, dass man in Kaschau die nicht mehr aktuellen Hinweise auf die Kreuzzugideologie ausgelassen hat. Ludwig wird nicht mehr als ein harter Krieger, sondern eher als ein eleganter Höfling aufgefasst. Die Komposition wurde um mehrere Gestalten und um das Landschaftsbild bereichert. Dieses aber bleibt – soweit es um die Rezeption der aktuellen niederländischen Errungenschaften geht – hinter anderen Werken aus der Zeit.

Am rechten Flügel des Kaschauer Altars wird das harte Witwenschicksal der Heiligen gezeigt. Unten sieht man die Erniedrigungen – erstens die Austreibung aus Wartburg, dann die Begegnung mit der undankbaren Bettlerin. Eine ähnliche Szenenfolge ist im Lübecker Zyklus zu finden. Der Kaschauer Maler arbeitete aber wiederum realistischer und mit mehreren Gestalten. Die Schilderung der Stadt in der zweiten Szene dürfte von den Werken wie der Breslauer Barbaraaltar inspiriert worden sein. Sie machte die Ereignisse dem zeitgenössischen Betrachter viel näher und appellierte damit auf sein Mitleid. Man sollte die Geduld bewundern, mit der die christusähnliche Heilige ihre Erniedrigungen angenommen hatte. Zugleich aber sah man, dass die Armen mitunter sehr undankbar sein können, womit den Stadtbürger auch ein Argument gegen ein grenzenloses Geben geliefert wurde.

Im mittleren Register folgt dann wiederum die Barmherzigkeit der Heiligen. Eine besondere Bedeutung der beiden Szenen beruht darin, dass sie sich in dem von Elisabeth gegründeten Spital abspielen – in Kaschau könnte diese indirekte Argumentation zugunsten des städtischen Spitals gut verstanden werden. Man sah, wie die vornehme Heilige selbst an der unangenehmen Spitalarbeit teilnimmt – im Marburger Fensterbild eines Krankenbesuchs der Heiligen, das von der ikonographischen Tradition der Barmherzigkeitswerke abgeleitet wurde, war dies noch nicht der Fall. Das Thema des Spitalbesuchs der Heiligen wurde in Kaschau bereits um 1400 am nördlichen Portal der Elisabethkirche aufgegriffen. Am Altar sieht man aber auch eine Vision des Heiligen während des Gottesdienstes im Spital. Die Legenden erwähnen mehrere Ereignisse dieser Art. Obwohl keine der Textpassagen unserem Bild in allen Einzelheiten entspricht, die wichtigsten Motive sind aufgrund dieser Texte trotzdem erklärbar. Die Heilige wird als sponsa Christi vorgestellt, die durch mystische Verbindung mit ihrem himmlischen Verlobten bei der Spitalarbeit getröstet wird. Die Kranken bleiben aber im Hintergrund des Bildes. Die Basis der Kompositionspyramide, deren Spitze die himmlische Vision bildet, beruht auf einer Gegenüberstellung der persönlichen Frömmigkeit der Heiligen und der sakramentalen Handlung eines Priesters. Im Bilde herrscht kein Zweifel darüber, welche dieser zwei Religiositätsformen zu bevorzugen ist. Der außerordentliche religiöse Status der Heiligen wird durch die Blickrichtungen bestätigt - nur sie kann Himmlisches sehen. Obwohl keine Vorlage für eine derartige Komposition in der Elisabethikonographie bekannt ist, die gefundene Lösung ist bis zu den kleinsten Details gut durchgedacht. Ähnliche ikonographische Themen – wie die Brünner Gregorsmesse, Matzdorfer Emmerichsvision oder die Martinsmesse aus Čerín dürften unserem Maler gewisse Stützpunkte anbieten, die Aussage des Kaschauer Bildes bleibt aber in ihrer Komplexität vollkommen einzigartig. Durch die beiden oberen Szenen des rechten Flügels wird der Elisabethzyklus abgeschlossen: zunächst werden die Wunder gezeigt, die das Ende ihres irdischen Lebens begleiteten, dann das Erhebungsfest, welches den Beginn ihres zukünftigen Kultes markiert. Bereits die ältesten Nachrichten über den Tod der Heiligen erwähnten ungewöhnliche Erscheinungen, die ihr Sterben begleiteten. Diese waren nicht visueller, sondern akustischer Art - die Sterbende singte süß mit den himmlischen Scharen, ohne Lippen zu bewegen. Am Kaschauer Altar wurden diese Phänomene visualisiert - der Himmel wird geöffnet und Engel stehen am Sterbebett. Zugleich aber sieht man trauernde Frauen und singende Kleriker. Die Komposition hat zwar Paralellen in der Ikonographie des Marientodes, diese sind aber anderer Art, als diejenigen im Relief des Marburger Mausoleums der Heiligen. Das Kaschauer Bild wurde wohl auch durch die Illustrationen des Traktates Ars bene moriendi beeinflusst, nur die Dämonen fehlen beim Sterben der Heiligen. Ebenso fehlen die Kranken und Bedürftigen, die nicht nur im erwähnten Relief, sondern in mehreren anderen spätmittelalterlichen Bildern zu den sterbenden bzw. toten Heiligenkörpern in der Hoffnung auf wundervolles Genesen strömen. Das Kaschauer Bild unterstützte keine Hoffnungen dieser Art. Elisabeth zeigte zwar den Christen, mit welcher Freude sie den Tod (bei den christlichen Heiligen bekanntlich als dies natalis gedeutet) erwarten sollten. Durch das Bild ihrer Visionen in den letzten Stunden wurde es aber klar angedeutet, wie sehr sie doch über alle einfachen Menschen erhoben wurde.

Eine besondere Bedeutung des Erhebungsfestes für spätmittelalterliche Kaschau bestätigte bereits 1402 die Bulle des Papstes Bonifatius IX, die den an diesem Tag kommenden Pilgern einen Ablass gewährte. Die Komposition des Bildes, die sich ikonographisch durch andere Darstellungen des Erhebungsfestes (z.B. die der Heiligen Hedwig) inspirieren lassen konnte, beinhaltet auch eine klare Aussage über die Beziehungen zwischen der geistlichen und der weltlichen Macht: der Kaiser bekam zwar den ersten Platz unter den zuschauernden Gläubigen, alle bedeutungsreiche Manipulationen mit dem Körper der Heiligen bleiben aber ausschließlich in den Händen der kirchlichen Würdenträger.

Zusammenfassend kann man feststellen, dass der Kaschauer Zyklus trotz seiner mannigfaltigen Beziehungen zur ikonographischen Tradition viele bedeutende Neuerungen beinhaltete. Mehrere dieser Innovationen wurden durch den Willen verursacht, wichtige gesellschaftliche Bedeutungen bildhaft zu vermitteln. Die künstlerisch-formale bzw. psychologisch-expressive Termine reichen daher für ihre historisch treue Beschreibung nicht aus.