Časopis ARS 37 (2004) 1-2

Jakub VÍTOVSKÝ

Petr z Prachatic – stavitel vídeňského a pražského dómu († 1429)
[Peter von Prachatitz – der Baumeister des Wiener und Prager Doms († 1429)]
[Peter of Prachatice – the Builder of Vienna and Prague Cathedrals († 1429)]

(Resumé)

Die Abhandlung betrifft die Beziehung zwischen der Prager und der Wiener Dombauhütte im 15. Jahrhundert. Die Verbindung zwischen Prag und Wien entstanden nämlich nicht nur durch die Tätigkeit des ehemaligen Prager "magister fabricae" Wenzel Parler an der Spitze der Stephanshütte in Wien 1402 — 1404, sondern vor allem deshalb, weil Wenzels Nachfolger Peter von Prachatitz die Wiener und Prager Hütte gleichzeitig leitete. Wie bekannt ist, war Meister Peter 1418 Architekt des Prager Veitsdoms. Bislang wurde von ihm angenommen, dass er nach den Hussitenkriegen in die Prager Dombauhütte zurückgekehrt war und erst 1453 — 1454 starb. Eine Überprüfung der Quellen ergab jedoch, dass Peter die Veitshütte zumindest ab 1410 geleitet hatte und nach den Hussitenkriegen nicht mehr dorthin zurückkehrte. Seit 1430 wird er bereits in der Vergangenheit angeführt. Unter diesen Umständen kann er mit dem Werkmeister des Wiener Doms Peter von Prachatitz († 1429) gleichgesetzt werden. Nicht nur der Wiener, sondern auch der Prager Peter wurden "von Prachatitz" genannt, wirkten in derselben Zeit, entwickelten denselben Stil und waren für Peter Parlers jüngsten Sohn Janko verantwortlich.

Im Jahr 1404 war Peter von Prachatitz Polier des Werkmeisters Wenzel Parler in Wien bei St. Stephan. Im selben Jahr übernahm Peter nach Wenzels Tod die Leitung der Stephanshütte. 1404 arbeiteten in der Stephanshütte auch zwei Johanns aus Prag, die mit dem etwa zwanzigjährigen Sohn von Johann Parler Johann und dem achtzehnjährigen Sohn von Peter Parler Janko identisch sein können. Letzterer verkehrte mit Peter von Prachatitz auch später in Prag. Peter von Prachatitz leitete die Stephanshütte bis zu seinem Tode 1429. Bei St. Stephan erbaute er beide Glockengeschosse des Südturms. Das erste Glockengeschoss war schon von Wenzel Parler nach Wenzels Projekt begonnen worden, 1407 ersetzte es Peter jedoch durch ein eigenes Projekt.

Nach dem Tod von Johann Parler wurde Peter um 1406 die Leitung der Prager Veitshütte übertragen. Diese Leitung musste Peter jedoch aus der Ferne mittels eines Poliers ausüben, der wohl Peters ehemaliger Wiener Schüler Janko Parler war. Janko war in den Häusern der Veitshütte bis 1420 ansässig. In Peters Zeit wurde bei St. Veit am Querschiff, dem Südturm und vier Jochs des dreischiffigen Langhauses mit den Kapellen gearbeitet. Die Gründungsarbeiten am Turm begannen schon vor 1395. Das Erdgeschoss des Turms war 1402 fertig. Als Peter um 1406 die Leitung der Prager Bauhütte übernahm, reichte das erste Glockengeschoss bis zur Höhe der Fensterbögen. 1411 waren der Uhrwerksockel des zweiten Glockengeschosses und die südliche Krone des Querschiffs abgeschlossen. Die Fertigstellung des zweiten Glockengeschosses kann um 1418 datiert werden. 1420 kam der Bau über dem zweiten Glockengeschoss zum Erliegen.

Die Glockengeschosse des Turms und die Südkrone des Querschiffs des Veitsdom stammen freilich nicht aus dem Projekt des Peter, auch wenn sie während Peters Magisteriums entstanden. Sie wurden nach einem früheren Projekt erbaut. Für die angeführten Dominanten des Veitsdoms war dieses Projekt von 1401 bis zu den Hussitenkriegen verbindlich. Offensichtlich war jedoch auch Peters direkter Prager Vorgänger Johann Parler (Johannes de Castro) nicht Autor des von Peter ausgeführten Projekts. Er erscheint eher als Vertreter des linearistischen Stils, der in den Jahren 1398 — 1401 beim Bau der Arkaden der Turmhalle und der Gründung der Dienste des Querschiffgewölbes Anwendung fand. Während des Magisteriums von Johann wurde das linearistische Projekt von einem gegensätzlichen Projekt abgelöst. Autor des Projekts der Prager Glockengeschosse und die Südkrone des Querschiffs war ebenso wie im Falle des ursprünglichen Projekts der Wiener Glockengeschosse Wenzel Parler (Wenceslaus de Castro).

Dieser war um 1400 die wichtigste schöpferische Persönlichkeit der Veitshütte und wurde auch international berühmt. Im Gesamtkontext erscheint er bei St. Veit als Vertreter eines an der Malerei und Plastik orientierten Stils mit breiten Tierkonsolen, Wimpergen mit konkav geschwungenen Giebeln, malerischen Maßwerken, impressionistisch gruppierten Baldachinen und weichen Profilen. Es zeugt von Wenzels malerischen und bildhauerischen Erfahrungen, wenn er 1397 zur Entstehungszeit der Statuen für das Adalbert- Mausoleum die Leitung der Veitshütte Johann übergab und unter dem alternativen Familiennamen Wenceslaus de Castro an die Spitze der Bildhauer der Malerzeche berufen wurde, ähnlich wie 1366 zur Entstehungszeit der Statuen der Goldenen Pforte Peter Parler. Bei St. Veit können Wenzel Parler der Rahmen der Gedenktafel zur Translation der Reliquien des hl. Adalbert, die nicht erhaltenen Statuen des Adalbert- Mausoleums, die Skulpturen der Galerie über der Turmhalle und das angeführte Projekt des Turmes und der Südkrone des Querschiffs gehören. In Wien verblieb von Wenzels Projekt nach den von Peter vorgenommenen Änderungen nur noch ein Torso.

Das eigene Werk von Peter von Prachatitz kam bei St. Veit vor allem im Projekt des Langhauses und bei nachträglich in die Turmhalle und die südliche Sakristei eingefügten Elementen zur Geltung. Heute kann es jedoch nur noch anhand von sekundären Quellen studiert werden. In den Jahren 1406 — 1411 teilte Peter die südliche Sakristei aus den Jahren 1398 — 1403 in ein Erd- und ein Obergeschoss. Den oberen Teil der Sakristei, der zur Bibliothek umgewandelt wurde, unterspannte Peter mit zwei Jochen eines Sterngewölbes mit "Knickrippensternen". Der Eintritt in die Bibliothek war aus der Hasenburger Kapelle in der Turmhalle, wozu Peter eine prachtvolle Wendeltreppe anfertigte, die mit einem Maßwerkkranz und einem Pavlan abgeschlossen war. Beim erwähnten Umbau änderte Peter auch das Fenster der Sakristei, in dessen untere Hälfte ein neues Maßwerk eingefügt wurde. Die Änderung der Sakristei ist zusammen mit den Türmen des Veitsdoms auf der Vorderseite des Wiener Plans Nr. 16817 festgehalten. Fenster der Sakristei sowie Treppenhaus aus der Turmhalle in die Bibliothek wurden bei der Wiederherstellung des Veitsdoms in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts entfernt. 1418 — 1419 fertigte Peter nachträglich auch in der Hasenburger Kapelle das Sterngewölbe an. Das prachtvolle vierzackige Sterngewölbe hatte wahrscheinlich eine volle sternförmige oder polygonale Mitte und nicht die angenommene runde Öffnung. Auch der Torso des Gewölbes wurde bei der Erneuerung des Doms entfernt. Am Projekt des dreischiffigen Langhauses begann Peter ab der Grenze des Querschiffs und des südlichen Seitenschiffs zu arbeiten. Zwei Südseitenkapellen (Turmhalle und Sakristei) waren schon vor Peters Antritt fertig. In Peters Zeit begann der Bau der Arkadenpfeiler. 1406 — 1408 zeichnete Peter den Entwurf der in das südliche Seitenschiff geöffneten Ostarkade. Peters Entwurf ist auf der Rückseite des Wiener Plans Nr. 16817 erhalten. Das Stuttgarter Plan- Fragment Nr. 3 aus der Zeit um 1420, das ein unvollständiges dreischiffiges Langhaus mit Knickrippensterngewölben darstellt, könnte Peters nicht realisierten Entwurf für das Mittel- und Nordschiff des Veitsdoms darstellen. Das monumentale Sterngewölbe mit einem eingelegten Achteck, würde dem Adalbert-Mausoleum entsprechen.

Peter von Prachatitz kann als wichtigster Fortsetzer von Peter Parler betrachtet werden. Er knüpfte eng an dessen Werk an. Außerdem war er von Wenzel Parler stark beeinflusst, dessen Pläne er in Wien und Prag ausführte. Als er jedoch selbst zu projektieren anfing, erlangte er bald einen persönlichen Stil. Alte Lösungen verband er oft mit Knickrippensterngewölben, die nachparlerische Baugedanken entsprechen. Auch am Bau der Pfarrkirche Maria am Gestade in Wien und Domkirche St. Elisabeth in Kaschau läst sich Anteilsnahme Peters nachweisen. Nach den Wiener Baurechnungen war Peter von Prachatitz auch als Bildhauer tätig. In der Prager Malerzeche sind nach 1400 "panicz Waczlaw", "panicz Janek" und "panicz Petr" nachgewiesen. Dieser späte Zweig der legendären Künstlergruppe der "Jungherrn von Prag" kann mit Wenzel Parler, Janko Parler und Peter von Prachatitz als Vertretern einer Bildhauerwerkstatt auf der Achse Prag - Wien - Zagreb identifiziert werden.

Deutsch von Andreas Weber