Journal ARS 48 (2015) 2

Robert BORN

Die Renaissance in Ungarn und Italien aus marxistischer und nationaler Perspektive. Beobachtungen zur Situation in Ungarn vor und nach 1945

(Summary)

Die Renaissance, und hier vor allem die Figur des Matthias Corvinus, bildet seit den am Ende des 18. Jahrhunderts einsetzenden Initiativen zur nationalen Emanzipation eine bedeutende Bezugsgröße in der öffentlichen Wahrnehmung und später der staatlichen Geschichtspolitik in Ungarn. Entsprechend war die wissenschaftliche Beschäftigung mit dieser Epoche der nationalen Geschichte ein wichtiger Komplex innerhalb der kunsthistorischen Forschung. Neben der Fokussierung auf das eigene nationale Kunsterbe spielte auch der Blick auf die Entwicklung der Renaissancekunst in den einzelnen Regionen Süd-und Westeuropas eine wichtige Rolle. Die vorliegende Studie versucht eine Kontextualisierung der kunsthistoriographischen Positionen in Ungarn zwischen 1948 und 1989. Den Ausgangspunkt der Überlegungen bildet die Periode der Zwischenkriegszeit, in der die Weichen für zwei, zunächst unabhängig voneinander verlaufende Entwicklungsstränge gelegt wurden. Dies war zum einen der Aufstieg der sozial-geschichtlichen Methode. Die von den prominenten Vertretern des „Hungaro-Marxismus“ (Peter Burke) wie Frederick Antal, Arnold Hauser und Karl Mannheim auf den einzelnen Stationen ihres Exils entwickelten Positionen wurden vor allem im westlichen Europa von der politisch links stehenden Kunstgeschichte verstärkt rezipiert. Die Wurzeln des sozialgeschichtlichen Ansatzes in dem von dem Philosophen Georg (György) Lukács gemeinsam mit dem Dichter und späteren Filmtheoretiker Béla Balázs zwischen 1915 und 1919 organisierten sog. Budapester Sonntagskreis gerieten zunehmend in Vergessenheit. Dies gilt auch für die Forschung in Ungarn in der kommunistischen Periode, die den zweiten Entwicklungsstrang innerhalb dieser Studie bildet. Hierbei zeichnet sich eine Kontinuität sowohl mit Blick auf die institutionellen wie die personellen Konstellationen und vor allem die Forschungsschwerpunkte zur Zwischenkriegszeit ab. Nach einer ersten Periode, die stark durch die ideologischen Leitlinien aus Moskau bestimmt wurde, wurden eine Reihe von thematischen Schwerpunkten und die damit verbundenen methodischen Zugänge aus der Zwischenkriegszeit, wiederbelebt und an den neuen nationalkommunistischen Rahmen angepasst, der von János Kádar in der Nachfolge des Aufstandes von 1956 etabliert wurde.