Journal ARS 48 (2015) 2

Maciej GÓRNY

Renaissance ist ein Fremdwort. Die marxistischen Geschichtsschreibungen Ostmitteleuropas auf der Suche nach „fortschrittlichen Traditionen“

(Summary)

Die Hauptaufgabe der regimetreuen Historiker im stalinistischen Ostmitteleuropa bestand darin, die marxistisch-leninistische Methodologie von den Sowjethistoriker ohne weiteres zu übernehmen, politisch kontrollierbar zu sein und ein Geschichtsbild zu schaffen, in dem die nationale Geschichte im Geist des Marxismus neu interpretiert werden sollte. Diese neue Interpretation wurde vor allem in den Universitätslehrbüchern und zentralen historischen Zeitschriften wiedergegeben. Aus diesen Prämissen ergab sich eine Mischung aus Marxismus und staatlich sanktioniertem Nationalismus. In Bezug auf die Epoche der Renaissance wird in dem Beitrag eine privilegierte Stellung der „nationalen Traditionen“ in diesen Historiographien thematisiert. Die als fortschrittlich eingestuften kulturellen Phänomene (wie Humanismus oder Pazifismus) wurden in den Schatten gestellt. Dagegen spielten nationale Helden und kriegerische Gestalten, wie etwa die Hussitenführer in der tschechoslowakischen Geschichtswissenschaft, eine zentrale Rolle. Aus diesen widersprüchlichen Voraussetzungen ergab sich eine paradoxe Rolle der Epoche in den marxistisch-leninistischen Geschichtsschreibungen Ostmitteleuropas. Obwohl im Allgemeinen akzeptiert, manifestierte sich ihre Fortschrittlichkeit vor allem auf den Feldern, denen in den nationalgesinnten Geschichtsauffassungen wenig Platz geboten wurde, vor allem in der Kunst- und Literaturgeschichte.